Ein weiterer Kongress liegt hinter uns, mit vielen bereichernden Vorträgen, guten Gesprächen und Wiedersehensfreude:
Dialog der Generationen: Erinnern, Verstehen und Heilen
Der jüngste Bundesfrauenkongress zum Thema "Dialog der Generationen" in Dessau hat mal wieder einen dringend notwendigen Raum für Austausch und tiefgreifende Auseinandersetzung geschaffen. Unter dem Motto Erinnern. Verstehen. Heilen. rückte die Veranstaltung die Schatten der DDR-Vergangenheit von politisch verfolgten und inhaftierten Frauen und deren Geschichte und Geschichten wieder mal in den Fokus, die bis in unsere Gegenwart reichen. Diese drei Tage in Dessau hallen bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern noch lange nach, da bin ich mir sicher, denn mit jedem Schritt in die Öffentlichkeit, mit jeder Begegnung, wird der Raum für die Frauen geöffnet, ihre Wunden ihrer persönlichsten Geschichten sichtbarer zu machen. Denn viele Frauen haben lange geschwiegen und unterdrückt, was unsichtbar, aber spürbar in ihnen wohnte: Die Verfolgung durch das politische System der DDR.
Ein zentraler Pfeiler der Diskussionen war die transgenerationale Weitergabe von Traumata. Wie tragen die nachfolgenden Generationen unbewusst die Last von Leiden, die sie selbst nicht erlebt haben? Psychoanalytikerin Dr. Israel beleuchtete, wie Erfahrungen von Unrecht, Angst und Isolation durch Repressionen und Haft in der DDR noch bis heute in Familien hineinwirken und wie psychische sowie soziale Muster auch über Generationen prägen können. Man konnte in den Reihen der Frauen hin und wieder ein zustimmendes Nicken oder verwundertes Achso wahrnehmen. Viele Jahre nach dem Ende der DDR scheint die Aufarbeitung der psychischen Leiden immer noch am Anfang zu stehen.
Besonderes Gewicht erhielten die Vorträge über die Aufarbeitung von Unrecht in der DDR: Die Schicksale von Frauen, die in den Strafvollzug Dessau inhaftiert waren und Haftzwangsarbeit für das Chemiedreieck leisten mussten sowie die Praktiken in venerologischen Anstalten als repressive Erziehungsmaßnahme gegen Frauen, legten schmerzhafte Wahrheiten offen. Die Darstellung dieser Einrichtungen als Instrumente zur gesellschaftlichen Disziplinierung und Stigmatisierung junger Frauen schockierte und mahnte zugleich. Sie stehen symbolisch für die willkürliche Machtausübung und die Verletzung fundamentaler Menschenrechte in der DDR. Und auch hier trafen wissenschaftliche Erkenntnisse, Aufarbeitung von Aktenbergen auf die höchstpersönlichen Erinnerungen von Zeitzeuginnen, die sich mit eindrücklichen Schilderungen zu Wort meldeten. Hier wurde nicht nur die politische Dimension der Inhaftierung weiblicher Häftlinge beleuchtet, sondern immer wieder sind es die menschliche Tragödien, die erschüttern und gleichzeitig mahnen: Nicht zu vergessen, sondern zu erinnern und zu verstehen.
Die Berichte von Zeitzeugen auf dem Podium an diesem Wochenende machten wieder einmal die Notwendigkeit einer umfassenden n, Anerkennung und Erinnnerungskultur des erlittenen Leids der Frauen deutlich. Der 3. Bundesfrauenkongress zeigte wieder einmal eindrücklich, dass Erinnern nicht nur eine Pflicht gegenüber den Opfern ist, sondern eine Voraussetzung für Verstehen. Der Dialog der Generationen bietet dabei die Chance, Empathie für die Opfer zu entwickeln und schließlich einen Weg zu Heilung und Versöhnung zu finden, aber auch Anerkennung nach außen.
(Doreen Sölter, Lehrerin für Politik und Gesellschaft)
Die UOKG hat vor Ort vieles auf Video festgehalten, das man sich gern hier per Mausklick auf den Link in Erinnerung rufen kann:
Rückblick Dessau UOKG (Youtube Kanal)
Außerdem hier ein Beitrag von Christiane Quenstedt (Niedersächsisches Netzwerks der SED- und Stasiopfer):
Jahresbericht 2025 des Niedersächsischen Netzwerk der SED- und Stasiopfer